Dieser Text, soll im Gegensatz zu meinen bisherigen Einträgen, kein aktueller Erlebnisbericht sein, sondern stellt den Versuch dar, die gesellschaftlichen Eigenheiten und Probleme meines Wohnumfeldes zu benennen und zu analysieren. Ich schreibe bewusst "Wohnumfeld", da Südafrika ein in so vielen Hinsichten vielfältiges und unterschiedliches Land ist und ich schlichtweg überfordert wäre, ein umfassendes Bild der nationalen Lage zu skizzieren. Da ich aber auch schon einige Ecken dieses beeindruckenden Landes gesehen habe, werden auch diese Erlebnisse in meinen Text mit einfließen.
Beginnen will ich aber mit dem normalen Alltagsleben in meinem Wohnort Potchefstroom. Die Kleinstadt in der Provinz North-West, 100 Kilometer südwestlich von Johannesburg besteht aus drei getrennten Stadtteilen: der eigentlichen Stadt Potchefstroom, in der um die 20.000, vor allen Dingen Weiße in gepflegten und mit Mauern geschützten Einfamilienhäusern leben und den westlich angrenzenden und weitaus bevölkerungsstärkeren Townships Ikageng, Promosa und Mohadin. Hier wohnen fast ausschließlich Schwarze in zum Teil sehr einfachen Verhältnissen. Dieses Stadtbild ist typisch für das Land. Auch Kapstadt, die wohl reichste Stadt Südafrikas, wird von mehrern Townships umgeben.
Doch zurück zu Potchefstroom. Denn wenn man als Weißer in der Innenstadt wohnt, dann bleibt man normalerweise auch dort und wagt sich nicht in die "gefährlichen" Townships, die für den gewöhnlichen weißen Potchler wie eine andere Galaxie wirken. Umgekehrt kommen jedoch viele Schwarze aus den Townships in die Stadt, zum Arbeiten, Einkaufen, oder in die vielen Schulen. An meiner Schule kommt die Mehrheit der Kinder aus den Townships. Diese Kinder leben größtenteils aber in besseren Verhältnissen, denn die Schulgebühren betragen 300 Rand (ca. 30 Euro) im Monat, was für viele im Township unbezahlbar wäre. Da aber nicht alle Menschen, die im Township leben auch arm sind und es dort ebenso strukturelle Unterschiede gibt, können sich gewisse Teile der Bevölkerung bessere Bildung leisten.
Eine Beschäftigung, die typisch für die Stadt ist, ist die des Gärtners. Dabei sind die Rollen klar verteilt. Der schwarze Arbeiter aus dem Township ackert sich im Garten eines der vielen schicken Häuser der Innenstadt ab, während sich der weiße Hausherr einen entspannten Tag macht und seinem Arbeiter Befehle gibt. Unterbezahlte Jobs werden prinzipiell von Schwarzen bekleidet, das scheint hier ein naturgegebenes Gesetz zu sein. Diese in Jahrhunderten gewachsenen, patriarchalen Strukturen werden wohl sobald nicht aufbrechen und scheinen ein Teil der südafrikanischen Gesellschaftskultur zu sein. Denn obwohl die Apartheid seit nun fast 20 Jahren Geschichte ist, so ist sie besonders hier in Potch noch sicht- und erlebbar. Vor allen Dingen wenn ich mit meinen weißen Lehrerkollegen spreche, die alle Buren sind, (Buren sind die Nachfahren der Holländer, die Südafrika vor über drei Jahrhunderten erreichten und hier blieben) spürt man oft die Abneigung und Ignoranz gegenüber der schwarzen Bevölkerung. Da die Partei der Buren zur Zeit der Apartheid regierte, ist besonders die ältere Generation noch stark von der Apartheid-Doktrin geprägt. Immer wieder stelle ich das im Lehrerzimmer meiner Schule fest. Dort gibt es eine mehrheitlich geteilte Meinung, was das Zusammenleben von Schwarz und Weiß betrifft. Einen Satz, den ich schon oft gehört habe ist: "Ich bin ja kein Rassist, aber..." Und dann wird immer wieder behauptet, dass es den Menschen während der Apartheid besser ging als heute, da jeder seinen Platz hatte und die Wirtschaft stärker war. Ohnehin hätten die Schwarzen sowieso eine andere Kultur, die mit der der Weißen nicht vereinbar wäre. Zum Beispiel würden die Schwarzen anstatt gesittet und ruhig miteinander zu reden, sich ständig anschreien. Ein Lehrer, der bei den Kindern wegen seines Schlagstocks gefürchtet ist, offenbarte mir auch schon seine Sympathie und Bewunderung für Adolf Hitler. Noch schockierter war ich jedoch, als ich ähnliches aus dem Munde einer jungen Studentin hörte. Wie ich mit Verlauf der Unterhaltung feststellte, wusste sie aber gar nicht wirklich, was genau unter Hitler geschehen war. Leider ist diese junge Frau kein Einzelfall, denn auch viele andere Studentinnen und Studenten, mit denen ich sprach, haben ähnliche gesellschaftliche Ansichten. Viele junge Leute sind wohl noch sehr von ihren Eltern geprägt und sind nicht gewillt diese Denkweisen zu hinterfragen. Für viele Weiße spielt zudem der Sicherheitsaspekt eine große Rolle. Es sei zu riskant, sich mit Schwarzen einzulassen, am Ende werde man sowieso nur bestohlen und oder hätte ein Messer am Hals. Auch wenn es stimmt, dass es laut werden kann, wenn sich schwarze Kinder unterhalten oder dass man auf seine Wertsachen acht geben muss, wenn man einen schwarzen Club besucht (auch was das Ausgehen angeht, wird strikt nach Hautfarbe getrennt), so stört mich doch sehr die ständige Verallgemeinerung, die ewigen Vorurteile und die arrogante Haltung, die viele Weiße haben. Natürlich gibt es auch in der schwarzen Bevölkerung eine gewisse Abneigung und Skepsis gegenüber den Weißen, aber wer mag es ihnen nach all den grausamen Jahren der Unterdrückung verübeln. Und gewiss denken nicht alle Weißen in Südafrika gleich, in Kapstadt zum Beispiel gibt es ein viel unverkrampfteres und offeneres Verhältnis und Zusammenleben von Schwarz und Weiß. Im provinziellen Potchefstroom, das wohl schon immer eine konservative Hochburg war, haben aber viele Weiße eine ähnlich rückständige, und von Vorurteilen geprägte politische Meinung.
So wird es wohl auch in der Zukunft weiterhin Trennungen innerhalb der Bevölkerung in vielen Bereichen geben. Zu sehr scheint das Dogma der Apartheid noch in vielen Köpfen der Menschen herumzugeistern.
Eine Institution, die eine Verbindung der Bevölkerungsgruppen herstellt, ist die Kirche. Denn gläubig ist hier so gut wie jeder. Auch wenn ich das Christentum, so wie es hier ausgelebt wird, als rückständig betrachten würde, so zielt ihr Grundverständnis doch auf das Prinzip der Nächstenliebe und richtet sich somit gegen rassische Diskriminierung. Zudem gibt sie vielen armen Menschen Hoffnung und Ansporn sich den Problemen des Alltags zu stellen. Meiner Meinung nach nimmt die Religion hier jedoch eine zu große Rolle ein und lässt keine kritische Hinterfragung zu. Mit diesem Dogmatismus wachsen die Kinder auf und haben im Prinzip keine andere Wahl, als an Gott zu glauben. Alles was im Namen Gottes gepredigt wird, wird ohne Zweifel anerkannt. So wird zum Beispiel denn Kindern in der Schule eingeredet, dass nur die Ehe zwischen Mann und Frau das einzig Wahre ist. Diese und andere konservative Einstellungen werden von einer großen Mehrheit getragen, ob Weiß oder Schwarz.
Der Traum eines versöhnten und geeinten Südafrikas, wie es sich Nelson Mandela gewünscht hat, scheint sobald nicht zu erreichen sein, jedenfalls deutet wenig darauf hin. Dabei gehen gesellschaftliche und soziale Differenzen Hand in Hand. Denn auch der ANC, die Partei der Unterdrückten, war bisher nicht in der Lage, die so großen sozialen Ungleichheiten dieses Landes erfolgreich zu bekämpfen. Stattdessen fällt die Partei eher durch Korruptionsskandale auf.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die Menschen dieses Landes, ob schwarz oder weiß, ob arm oder reich, ob Politiker oder einfache Arbeiter, einen Ruck geben und die vielen Probleme gemeinsam anpacken. Denn nur zusammen kann eine Lösung gefunden werden. Hoffnung macht mir in dieser Hinsicht die Generation von morgen, die vielen Kinder, mit denen ich täglich zu tun habe. Für die Mehrheit spielt die Hautfarbe nämlich keine Rolle. Auf das diese Generation ihre unverkrampfte Haltung behält und einen Teil dazu beiträgt, die Gesellschaft zu einen. Dieses vielfältige und beeindruckende Land hätte es mehr als verdient.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen