Sonntag, 9. Dezember 2012

Erlebnisse en masse

Nach einer längeren Schreibpause melde ich mich mal wieder aus dem fernen Süden. Die Ferien waren bisher alles andere als langweilig, es ist gar nicht so leicht sich an die verschiedenen, erzählenswerten  Geschichten zu erinnern. Dank meiner chronischen Vergesslichkeit weiß ich teilweise nicht mehr, was ich die letzten Tage getan hab. Aber da die Erlebnisse, an die man sich erinnern kann, ja eh markant und interessant sind, werde ich die markantesten und interessantesten jetzt mal in Worte fassen.
Zu Ferienbeginn wurden wir von der Lehrerschaft zu einem abschließenden Essen eingeladen. Voraussetzung  für die Teilnahme war eine Zahlung von 100 Rand (etwa 10 Euro), womit Speisen und Getränke finanziert werden sollten. Der Abend stand dann ganz im Zeichen der Internationalität. Es wurden im Voraus Gruppen gebildet, denen jeweils ein Land bzw Stadt zugeteilt wurde. Die Aufgabe bestand nun darin sich der jeweiligen Kultur entsprechend zu kostümieren. Dazu gab es dann landestypisches Essen. So wurden alle erdenklichen Clichés erfüllt und die Lehrer und wir Freiwilligen wurden zu Sombrero tragenden Mexikanern, New Yorker Cowboys und pelzigen Russen. Das Essen war, obwohl es teilweise nicht wirklich zum jeweiligen Land passte, lecker und ausreichend. Mehr Priorität hatte dann aber der reichlich vorhandene Alkohol, den die Lehrer mitgebracht hatten. Den Abend über gaben diese sich nämlich ordentlich die Kante. Wir Freiwilligen wirkten dagegen mit unserer mitgebrachten Cola brav und vernünftig. Es war durchaus eine interessante Erfahrung die Lehrer, die ja sonst jegliche gute Laune mit Hilfe ihres Zollstocks im Keim ersticken, ausgelassen und vergnügt zu erleben.
Ein paar Tage später stand ein großes Ereignis für die Kinder aus meinem Haus auf dem Programm. Zusammen mit dem Freiwilligen Philip und dem festangestellten Betreuer machten wir einen Ausflug zum Johannesburger Zoo. Allein die Fahrt nach und vor allem durch Johannesburg war für die Kinder und auch für mich aufregend. Die Stadt wirkt mit seiner beträchtlichen Skyline ziemlich modern und westlich. Auch an Soweto, dem Township Johannesburgs fuhren wir vorbei und somit wurde uns der totale Kontrast zwischen Arm und Reich vor Augen geführt. Im Prinzip besteht Johannesburg wie Potch aus zwei verschiedenen Stadtteilen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, nur ist in Joburg alles ne Nummer größer. Ein südafrikanischer Zoo unterscheidet sich nicht sonderlich von einem deutschen, vom Elefanten bis zum Löwen waren die üblichen Arten vertreten. Auch einen Eisbär gab es, der sich bei den heißen Temperaturen sichtbar unwohl fühlte. Und natürlich gab es Springboks, das Wappentier Südafrikas. Alles in allem war der Zoobesuch ein tolles Erlebnis für die Kinder, denn je öfter sie dem tristen Kinderheimleben entfliehen können, desto besser.
Eine tolle Sache für uns Freiwillige war ein Fußballspiel zwischen dem Kinderheim, bestehend aus Freiwilligen und Betreuern, und der Polizeimannschaft von Potch. Am Ende wurden die Bullen nach einem grandiosen Kopfballtor meineiseits mit 5:3 besiegt!
Am Freitag ging es dann zum Feiern ins Midknight, ein Club in den hauptsächlich Schwarze gehen und der von den meisten Weißen gemieden wird. Die Stimmung dort ist stets ausgelassen und positiv. Am nächsten Tag musste ich jedoch feststellen, dass mein Portemonnaie verschwunden war. Vermutlich wurde es mir gestohlen, als ich am Ausgang stand und mich ein Typ komisch angemacht hat und mir leicht an die Gurgel gegangen ist. Eigentlich wirkte die Situation nicht ernst, aber höchstwahrscheinlich nutzte mein Gegenüber den Moment um mich abzulenken und die Geldbörse und entwenden. Dumm genug war, dass ich das Portemonnaie samt Kreditkarte, Führerschein und SIM-Karte überhaupt mitgenommen habe. Die Kreditkarte habe ich dann am nächsten Tag gesperrt und zur Zeit bin ich dabei die neuen Dokumente zu beantragen. Unnötiger Stress, aber eine Erfahrung, mit der man hier wohl rechnen muss. Seis drum, aus Fehlen lernt man ja bekanntermaßen...hoffentlich.
In der letzten Woche haben einige der Freiwilligen bereits ihren Urlaub angetreten und da auch viele der Kinder zu Ferienbeginn zu ihren Eltern gefahren sind wurde es in letzter Zeit immer leerer im Heim. Da ich eh nicht viel zu tun habe, beschloss ich den hier im Heim arbeitenden Freiwilligen etwas zu helfen. Deren Aufgabe besteht vor allem jetzt in der Ferienzeit darin, den Alltag der Kinder zu gestalten. Ein Freiwilliger entschied sich dazu, mit den Kindern Basketball spielen zu gehen. Da war ich natürlich dabei und brachte den Kindern ein paar fundamentale Übungen bei. Einer war echt talentiert und konnte ziemlich gut mit dem Ball umgehen. Mal sehen, was ich noch aus dem Jungen raus holen kann.
Gestern habe ich dann die nächste einprägsame Geschichte erlebt. Ich war mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Mall der Stadt, als ich auf halber Strecke auf einen blutenden Mann aufmerksam wurde, der mir zuwinkte. Daneben hielt ein Auto, indem ein Mann saß. Also fuhr ich zu dem blutenden Mann hin, ein Schwarzer der ziemlich durch den Wind war. Ich fragte ihn, was denn passiert sei und er sagte mir, dass der Typ im Auto ihn ohne Grund geschlagen hat. Daraufhin versuchte ich, die vorbeifahrenden Autos anzuhalten und um Hilfe zu beten, ohne Erfolg. Auf einmal stieg der Typ aus seinem Auto, ein breit gebauter Bure, und ging zu uns hin. Er wollte wissen was ich will und als ich meinte, dass ich nur helfen will, fing der Bure an mich zu beleidigen. Als er dann auch noch handgreiflich wurde und mir einen satten Hieb auf die Schulter versetzte ergriff ich die Flucht. Zur gleichen Zeit kam ein Kumpel von dem Buren mit seinem Auto dazu und zusammen gingen die beiden Idioten nochmal auf den hilflosen Mann los. Ich versuchte weiterhin Autos anzuhalten, doch keiner zeigte die Courage zu helfen. Dummerweise kannte ich die Polizei- sowie die Notarztnummer nicht. Die Buren ließen dann aber wieder von ihrem Opfer los und ließen ihn gehen. Der Bure ging daraufhin wieder auf mich los, sodass ich zum Wegfahren gezwungen wurde. Danach quälte mich noch lange die Frage, ob alles gut gegangen ist oder ob die Buren nochmal ihrem Opfer gefolgt sind. Wie es zu der Schlägerei kam, weiß ich nicht, auf jeden Fall ging eine große Portion Hass und Aggressivität von dem Schläger aus. Auch das ist also Südafrika. Trotz der teilweise unschönen Erlebnisse gehts mir hier aber ganz gut und ich kann auch nicht behaupten, dass mir langweilig ist. Erleben tu ich hier echt ne Menge.